Unfälle bei Kleinkindern sind häufig, besonders im eigenen Zuhause. Lesen Sie, welche die wichtigsten Sofortmassnahmen sind und wann der Notfalldienst gerufen werden muss.
Laut Statistiken sind die eigenen vier Wände ein unsicheres Pflaster. Zumindest zeigen sie, dass Unfälle oft zu Hause passieren, insbesondere bei den Kleinsten in den ersten sechs Lebensjahren. Darum lohnt es sich, für solche Fälle gewappnet zu sein, damit man eine korrekte Erstversorgung leisten und abschätzen kann, ob professionelle Unterstützung nötig ist oder nicht.
Prellungen, Schürfungen und Platzwunden
Gemäss der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) gehören Stürze zu den häufigsten Unfällen, sei es vom Wickeltisch, Kajütenbett oder dem als Klettergerüst genutzten Möbel. Stefanie Wuwer, dipl. Drogistin HF und Betriebsleiterin in Thun: «In solchen Situationen ist es ratsam, als Elternteil einen kühlen Kopf zu bewahren, das Kind zu beruhigen und zu untersuchen, ob eine Verletzung vorhanden ist.»
Bei Prellungen legt man idealerweise möglichst schnell einen Kühlbeutel auf. Zudem sollte man die betroffene Stelle hochlagern und mit einer elastischen Binde ruhigstellen. Kann das Kind aber beispielsweise den Arm oder das Bein nicht mehr gut bewegen und es liegt ein Verdacht auf einen Knochenbruch vor, ist der Gang in die Kinder-Notfallaufnahme zu empfehlen. Eine Schürfung muss gesäubert, desinfiziert und mit einem Pflaster oder Verband abgedeckt werden. Bei besonders grossen oder verschmutzten Wunden ist es ratsam, eine Fachperson hinzuzuziehen. Dies gilt ebenfalls für Platzwunden, bei denen die Blutung schlecht zu stoppen ist, oder Wunden, die über ein Gelenk verlaufen, da sie dadurch langsamer heilen können.
Nach Stürzen braucht es jeweils eine längere Beobachtungsphase: Beginnt das Kind sich anders zu verhalten, ist es apathisch, klagt über Übelkeit oder erbricht sogar? «Diese Anzeichen können auch zeitlich verzögert auftreten, vielleicht erst in der Nacht. Sie können auf eine Gehirnerschütterung hindeuten und sollten im Spital überwacht werden», erklärt die Drogistin.
Wunden versorgen
Ein herumstehendes Glas vom Sofatisch gestossen oder beim Spielen in die Tischecke gerannt – schon gibts eine Platzwunde oder offene Schramme an der Stirn. «Die Wundreinigung geschieht hier häufig von selbst durch die Blutung, die es durch Kühlen oder Kompression zu stillen gilt», sagt die Gesundheitsexpertin. Ob genäht werden muss, hängt von der Tiefe der Verletzung sowie der betroffenen Körperstelle ab. Gerade im Gesicht ist wegen der Narbenbildung eher Vorsicht geboten. Geht es ohne Notfallpraxis, können die Wundränder mit Steri-Strips zusammengefügt und mit einer Wundabdeckung geschützt werden.
Auch die Gefahr von Verbrennungen sollten Eltern auf dem Radar haben, denn ein Kind fasst in Windeseile in die Kerze vom Geburtstagskuchen oder zieht den Topf mit kochendem Wasser vom Herd. Entsteht eine Hautrötung oder kleine Blase, muss die betroffene Stelle sofort unter fliessendes, knapp lauwarmes Wasser gehalten werden. «Und zwar ausreichend lange – für rund zehn Minuten», betont Stefanie Wuwer. Anschliessend kann man ein kühlendes, leicht schmerzlinderndes Gel auftragen und mit einer sterilen Gaze abdecken, ohne die Blase aufzustechen. Ist die Wunde am Gesicht oder Hals oder grösser als die Handfläche der betroffenen kleinen Person und dazu vielleicht noch offen, braucht es unverzüglich eine notärztliche Behandlung.
Für all diese Unfallarten hat die Drogistin zudem einen Spezialtipp bereit: «Als Notfallmittel empfehle ich gern homöopathische Arnika-Globuli. Sie fördern die Wundheilung und stoppen das Ausbreiten von Blutergüssen.»
Kleine Schluckspechte
Kinder sind von Natur aus sehr neugierig und gehen zu Hause gern auf Entdeckungstouren. Da sie Gefahren noch nicht richtig einschätzen können, gehören daher Arzneimittel, Nagellackfläschchen oder Reinigungsmittel an einem für sie unerreichbaren Ort aufbewahrt. Denn bereits ein für Erwachsene geeignetes Schmerzmittel kann bei Kindern zu schwerwiegenden Vergiftungen führen. «Sollte es doch dazu kommen, dass das Kind eine solche Substanz schluckt, darf man dem Kind auf keinen Fall auf eigene Faust Wasser oder Milch verabreichen oder Erbrechen provozieren», rät Stefanie Wuwer. «Stattdessen sollte man sofort das Toxikologische Institut unter der Telefonnummer 145 oder den Notfalldienst kontaktieren und die Anweisungen genau befolgen.»
Achtung auch vor kleinen Gegenständen, die leicht im Hals stecken bleiben können. Geschieht dies, darf man nicht mit den Fingern hineingreifen, sondern legt das Kleinkind Kopf voran auf den Arm oder Oberschenkel und klopft mit der Handfläche kräftig zwischen die Schulterblätter. Generell gilt, dass es bei Atemnot, Bewusstseinsverlust oder lang anhaltenden Beschwerden unbedingt und sofort medizinische Hilfe braucht. Allgemein gilt bei Verletzungen und Unfällen: Wenn man nicht ganz sicher ist, sollte man lieber einmal zu viel als zu wenig eine Fachperson in der Drogerie, Apotheke oder Arztpraxis fragen.
Tipps für ein kindersicheres Zuhause
- Wickeln Sie Ihr Kind am Boden, gurten Sie es bei Tisch am Kindersitz an und befestigen Sie Regale an der Wand. Treppen, Fenster und Balkontüren sollten gesichert werden.
- Messer, Gabeln, Scheren oder Stricknadeln gehören ausser Reichweite. Für Schubladen und Schränke gibt es Kindersicherungen.
- Polstern Sie scharfe Ecken und Kanten ab.
- Bringen Sie einen Herdschutz an und drehen Sie Pfannenstiele stets nach hinten zur Wand.
- Tee- und Badewasser immer zuerst auf die richtige Temperatur testen.
- Medizin, Reinigungsmittel, Alkohol und Pflanzendünger sollten unter Verschluss gehalten werden. Und: Tabletten nie als Bonbons bezeichnen.
- Ordnung ist die halbe Miete. Nicht nur wegen der Stolpergefahr, sondern auch wegen leicht verschluckbarer runder Spielsachen oder Esswaren wie Nüsse und Trauben.
- Halten Sie die wichtigsten Notfallnummern (z.B. 145 für Tox Info Schweiz) und ein gut ausgestattetes Erste-Hilfe-Set griffbereit, auch für Babysitter.